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5 Maßnahmen für Deutschland: So retten wir den Auto-Standort
Herzlich willkommen zur 63. Ausgabe von Der Autopreneur!
Diese Woche haben sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Was fehlt? Eine klare Vision für Deutschlands wichtigste Industrie.
Ich will das zum Anlass nehmen, meine Reihe zum Masterplan für die deutsche Autoindustrie fortzuführen.
Falls du meine bisherigen Ausgaben verpasst hast:
In „Deutschland braucht einen Auto-Masterplan" erkläre ich, warum wir zum Gateway für den europäischen Automarkt werden müssen
Und in „So will China Europas Automarkt erobern" zeige ich, unter welchen Bedingungen wir China einbinden sollten
Heute geht es um konkrete Maßnahmen, um zukunftsfähig zu werden. Für die deutsche Automobilindustrie und den Standort Deutschland.

KI-generiertes Symbolbild
So ernst ist die Lage
Für ein Jahrhundert war Deutschland DER Weltmarktführer für Autos. Wir haben die Standards in Sachen Qualität und Innovation gesetzt. Die ganze Welt hat uns bewundert.
Jetzt stehen wir am Ende dieser Ära:
2023 sind >80% des Umsatzes der deutschen Autoindustrie auf Verbrenner entfallen
Prognosen zeigen: In weniger als 10 Jahren werden weltweit mehr E-Autos als Verbrenner verkauft
Bis 2035 wird der europäische Markt für Verbrenner praktisch nicht mehr existieren
Gleichzeitig hat Deutschland Standortnachteile:
Unsere Industriestrompreise liegen 25% über dem EU-Durchschnitt. Gegenüber den USA zahlen wir über 300% mehr
Unsere Arbeitskosten sind über 30% höher als im EU-Durchschnitt. 4x so hoch wie in China
Die Unternehmenssteuer liegt mit 30% deutlich über Ländern, die mit uns im Wettbewerb stehen
Die deutsche Bürokratie ist teuer. Allein Informationspflichten kosten Unternehmen jährlich über 66 Mrd. Euro
5 globale Megatrends verändern die Autoindustrie
1) Geopolitische Risiken:
Die Welt teilt sich in Blöcke auf. Handelskriege und Strafzölle verändern die Spielregeln.
Unsere global vernetzten Lieferketten funktionieren nicht mehr. Wir brauchen zunehmen lokale Wertschöpfung in den Absatzmärkten.
Der Umbau kostet Milliarden, zerstört Skaleneffekte und sorgt dafür, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.
2) Antriebswende:
Die Umstellung auf E-Autos ist extrem teuer. Vor allem wenn sich der Übergang in die Länge zieht.
Dabei wird die Batterie zum Herzstück des Autos. So wichtig wie der Motor beim Verbrenner.
Problem: 90% der Batterien kommen aus Asien. Eine strategisch gefährliche Abhängigkeit.
3) Software statt Hardware:
Das Auto wird zum Computer auf Rädern. Ein Paradigmenwechsel.
Trotzdem haben traditionelle Hersteller bisher nur 16% Software-Spezialisten in ihrer Entwicklung. Bei neuen Wettbewerbern sind es 43%.
4) Neue Kundenerwartungen:
Die Wünsche der Kunden entwickeln sich regional stark auseinander.
In China würden 53% der Kunden für bessere Fahrassistenzsysteme die Marke wechseln.
5) Neue Wettbewerber:
Tech-Companies und Startups greifen das klassische Auto-Geschäftsmodell an.
Deutsche Marken verlieren seit 2020 stetig Marktanteile in China.
Die Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland
Die Automobilindustrie ist der Backbone der deutschen Wirtschaft:
Fast 800.000 Menschen arbeiten direkt bei Herstellern und Zulieferern
Mit allen vor- und nachgelagerten Bereichen sind es rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze
Die Branche ist für knapp ein Fünftel der deutschen Industriewertschöpfung verantwortlich
Sie trägt 5% zum gesamten deutschen BIP bei - mehr als in jedem anderen Industrieland
Der globale Markt für E-Autos, autonomes Fahren und Ladeinfrastruktur wird bis 2030 auf 2,4 Billionen Euro wachsen. Das jährliche Wachstum liegt bei 25%.
Bedeutet: Entweder wir erobern einen Teil dieses Marktes. Oder wir verlieren unsere wichtigste Industrie.
5 Maßnahmen für den Auto-Standort Deutschland
Ich habe mir Studien von McKinsey, Berylls/AlixPartners, BDI und BCG angeschaut. Alle kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen.
1) Deutschland zum EV-Powerhouse machen
Deutschland war bei Verbrennern Weltspitze. Vor allem weil wir einen extrem starken Heimatmarkt hatten. Der war die Basis für den globalen Erfolg. Dieses Playbook hat China perfekt übernommen - nur eben für EVs.
Das Problem: Bei der Antriebswende zögern wir in Deutschland noch. Wir wollen uns technologisch alle Möglichkeiten offen halten. Aber: Kein Land kann in allen Technologien führend sein. Wer Weltspitze sein will, muss sich fokussieren. Und dafür braucht es einen Schulterschluss aus Industrie, Politik & Gesellschaft.
Eine industriepolitische Vision:
Klare Fokussierung auf E-Mobilität statt teurer Parallel-Entwicklungen
1 neuer Antriebsbaukasten kostet 10 Mrd. Euro - diese Ressourcen müssen gezielt eingesetzt werden
Flankiert von nachhaltigen Förderprogrammen mit vollem Fokus auf das gemeinsame Ziel
2) Energiepreise auf internationales Niveau senken
Ein Betrieb in Deutschland zahlt etwa 170 €/MWh für Strom
In den USA kostet die gleiche Menge nur 50 €/MWh
Für einen Automobilzulieferer bedeutet das jährliche Mehrkosten von bis zu 60 Mio. Euro
Unternehmen haben dadurch also echte Wettbewerbsnachteile
Die Politik steht vor einem Dilemma: Kurzfristig sind Subventionen nötig. Langfristig müssen wir massiv in effizientere Energieerzeugung investieren.
Parallel können Unternehmen Strom selbst erzeugen & strategisch einkaufen.
3) Automatisierung und KI zur Priorität machen
Deutschland steht vor strukturellen Herausforderungen:
Der Fachkräftemangel verschärft sich jedes Jahr
Immer mehr Arbeitnehmer gehen in Rente
Trotz technologischem Fortschritt haben wir eine stagnierende Produktivität pro Kopf
Und mit die höchsten Lohnkosten der Welt
Die Lösung? Künstliche Intelligenz und Automatisierung.
Wir müssen unser Wirtschaftssystem auf "Automate first" umstellen.
Automatisierung ist der einzige wirksame Hebel gegen unsere strukturellen Probleme.
4) Strategische Lieferketten absichern
In Europa haben wir 3 riskante Abhängigkeiten:
Batterien: 90% werden in Asien produziert, China kontrolliert 70% der Rohstoffe
Halbleiter: Der Großteil kommt aus Asien, besonders Taiwan - ein enormes Risiko
Software & KI: Fast vollständige Abhängigkeit von US-Konzernen
Fällt nur eine dieser Schlüsselressourcen aus, bricht unsere komplette Lieferkette zusammen.
Was wir brauchen:
Europäische Allianzen ähnlich dem Airbus-Modell. Mehrere Länder bündeln ihre Kräfte
Klare Regeln für den Marktzugang: Wenn wir in Europa strategisch eigene Lösungen aufbauen wollen, müssen wir sie anfangs schützen. Genau in solchen Situationen machen gezielte Schutzzölle Sinn
5) Bürokratie radikal vereinfachen
Die deutsche Bürokratie ist ein massiver Wettbewerbsnachteil:
Informationspflichten kosten Unternehmen über 66 Mrd. Euro jährlich
Das entspricht bis zu 5% des Jahresumsatzes
Genehmigungsverfahren dauern in Deutschland oft Jahre, in anderen Ländern nur Monate
Konkrete Maßnahmen:
Für jede neue Regulierung müssen 2 bestehende wegfallen
KI und Automatisierung auch im Verwaltungsapparat einführen. Viele Verwaltungsprozesse sind einfach und repetitiv. Also wie gemacht für Automatisierung
Jede neu zu besetzende Stelle in der Verwaltung muss begründen, warum sie nicht durch KI automatisiert werden kann
Beschleunigte Genehmigungsverfahren für Projekte, die unserer industriepolitischen Vision entsprechen
Was wir verstehen müssen: Wir befinden uns in einem Wettbewerb mit anderen Ländern. Wenn wir zu langsam sind, sind sie schneller.
Die Transformation ist die Aufgabe unserer Generation
Der BDI hat gemeinsam mit BCG eine Studie erstellt. Forschungsfrage: Was braucht Deutschland, um seine Industrie zukunftsfähig zu machen.
Das Ergebnis: Bis 2030 braucht es zusätzliche Investitionen von 1,4 Billionen Euro. Das entspricht etwa 5% des jährlichen BIP über die nächsten Jahre.
Ein erheblicher Teil davon betrifft die Automobilindustrie.
Zum Vergleich: Der Marshall-Plan, mit dem die USA nach dem 2. Weltkrieg den Wiederaufbau Westeuropas unterstützten, entsprach etwa 1,3% des damaligen BIP.
Diese Transformation ist also eine ähnlich große Herausforderung wie der Wiederaufbau nach dem Krieg. Oder die deutsche Einheit.
Nur mal um die Dimension deutlich zu machen.
Es geht nicht mehr nur um die Transformation der Automobilindustrie. Es geht um die Transformation unseres gesamten Wirtschaftssystems.
Meine Conclusion
Unser größtes Problem: Deutschland arbeitet nicht als System. Sondern in Silos.
Politik, Industrie und Gesellschaft haben alle ein unterschiedliches Verständnis vom Ziel. Deshalb arbeiten sie nicht koordiniert in eine Richtung, sondern oft gegeneinander:
Die Politik definiert keine langfristige wirtschaftspolitische Vision
Die Industrie kämpft oft um kurzfristige Gewinne
Die Gesellschaft sieht in neuen Technologien oft Bedrohungen statt Chancen
Wir brauchen einen Schulterschluss zwischen Politik, Industrie und Gesellschaft.
Es ist ein gemeinschaftlicher Kraftakt.
Wir brauchen eine wirtschaftspolitische Vision.
China hat vor Jahrzehnten entschieden führend im Automotive zu werden.
Taiwan wollte strategisch zum Weltmarktführer bei Halbleitern aufsteigen.
Solche Visionen entstehen nicht zufällig. Sie werden definiert, geplant und konsequent über Jahrzehnte verfolgt.
Die Transformation der deutschen Autoindustrie ist eine nationale Aufgabe. Wir brauchen einen gemeinsamen Plan und ein gemeinsames Ziel. Nur so wird Deutschland auch in Zukunft ein starker Auto-Standort bleiben.
PS: Wie immer bespreche ich das Thema noch etwas ausführlicher im begleitenden Podcast.
🔗 McKinsey | BDI/BCG/IW | Berylls
PS: Wie du siehst, tut sich gerade richtig viel in der Automobilbranche.
Wenn du den Überblick behalten willst:
Ich versende jeden Mittwoch ein Automotive Intelligence Briefing für Unternehmen.
Darin enthalten: Alle erfolgskritischen Updates der Branche. In 5 Minuten gelesen.
Ich sehe das essential für alle Unternehmen mit Automotive-Exposure.
Denn nur wenn du das Big Picture verstehst, kannst du dein Unternehmen, deinen Geschäftsbereich oder dein Projekt optimal ausrichten.
📊 Aktien-Performance
Hier die Wochenperformance der wichtigsten Automotive-Werte:

Woche Δ: Kursveränderung der letzten Woche
YTD Δ: Kursänderung seit Jahresbeginn
Verstehen, was hinter diesen Zahlen steckt? Mein Automotive-Intelligence Briefing liefert alle Hintergründe.
Das war’s für heute:
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Bis zum nächsten Mal,
— Philipp Raasch
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