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8 Gründe warum keiner Autos im Internet kauft, Porsche-CTO Sajjad Khan im Interview

Herzlich willkommen zur 24. Ausgabe von Der Autopreneur!

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Gleichzeitig ist es die vorletzte Ausgabe im bisherigen Format. Wie am Mittwoch angekündigt, starte ich bald "Der Autopreneur Pro". Mit neuen Inhalten und Features. Falls du die Mail verpasst hast, lies gerne hier nach.

Aber nun zu den Themen dieser Woche.

In dieser Ausgabe erfährst du:

  • Der E-Commerce Traum von Mercedes & Co platzt

  • EU führt China-Strafzölle ein

  • Mercedes-Mitarbeiter fordern "Anerkennung für die Unverschämtheit"

  • So wollen VW & Rivian noch enger zusammenarbeiten

  • Schlechte Stimmung in der deutschen Automobilbranche

  • Innovationsranking - BMW führt, China holt auf

  • Key-Takeaways von Porsche-CTO Sajjad Khan

Lesezeit: 5 Minuten

🛒 Der E-Commerce Traum von Volvo, Mercedes & Co platzt (bisher)

Mercedes-Benz E-Commerce

Quelle: Mercedes-Benz

Wir sprechen hier ja oft über die großen Veränderungen in der Automobilbranche:

  • Von Hardware zu Software

  • Vom Verbrenner zum E-Motor

  • Vom selber Fahren zum autonomen Fahren

Doch eine Transformation bleibt oft unbeachtet: der Wandel im Vertrieb.

Das traditionelle "Autohaus" wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Der Traum der Hersteller: Autohäuser schließen, direkt online verkaufen.

Millionen wurden in Online-Shops investiert.

  • Volvo wollte bis 2025 die Hälfte online verkaufen

  • Mercedes peilte 25% bis 2022 an

Das Ergebnis? Ernüchternd. Volvo hat sein Ziel aufgegeben. Mercedes verschiebt auf 2025. Die Online-Verkäufe bleiben mikroskopisch.

Woran liegt's? 8 Gründe:

  1. Komplexität: Konfiguration, Finanzierung, Versicherung, Paperwork - alles viel komplizierter als bei Alltagsprodukten.

  2. Emotionen: "Ein Auto lässt sich schwer streamen" sagt Volvo. Viele wollen ihr Auto anfassen, erleben, Probe fahren.

  3. Verhandlung: Online gibt's feste Preise. Viele Kunden wollen aber Rabatte verhandeln.

  4. Beratung: Autos sind komplex und teuer. Oft haben Kunden Fragen, die sie lieber persönlich klären. Kontraintuitiv: Gerade jüngere Käufer (18-24 Jahre) bevorzugen die Beratung und den Kauf im Autohaus.

  5. Gewohnheiten: Autokauf ist ein eingefahrener Prozess. Solche Gewohnheiten ändern sich nicht über Nacht.

  6. User Experience: Die UX vieler Online-Shops ist oft nicht wirklich intuitiv. Wie bei der Auto-Software, tun sich Hersteller hier schwer.

  7. Falsches Vorbild: Bisher werden oft Shopping-Prozesse von Amazon & Co kopiert. Aber der Kauf eines Autos ist dann doch irgendwie anders als bei einem Buch oder Smartphone.

  8. Digitales Mindset: Online verkaufen ist mehr als einen Shop aufzusetzen. Es braucht einen ganzheitlichen digitalen Vertriebsansatz von Marketing bis After-Sales. Viele Hersteller unterschätzten diese Komplexität.

Also was ist die Lösung?

Die Realität ist - Kunden wechseln zwischen online und offline. Sie googeln, fahren Probe, vergleichen wieder digital.

  • 96% der Kunden recherchieren online, 99% wollen online konfigurieren

  • Aber: 87% wollen eine Probefahrt machen (und 77% wollen diese online buchen)

  • Und am Ende? 54% kaufen dann doch lieber im Autohaus

Hersteller müssen Handel also ganzheitlich denken: Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Die Insider nennen das "Omnichannel".

Das heißt auch mal wieder: Silos aufbrechen. In der Organisation, in den Prozessen & Systemen - und vor allem in den Köpfen.

Kundenpräferenz von Online und Offline

Quelle: MHP Online Car Sales Studie 2023

Hier sind die weiteren News der Woche:

🇨🇳 EU führt Strafzölle auf E-Autos aus China ein

Seit 5. Juli gelten vorläufige EU-Strafzölle auf importierte E-Autos aus China. Die Zölle im Überblick:

  • BYD: 17,4%

  • Geely: 19,9%

  • SAIC: 37,6%

  • BMW (iX3): 20,8%

  • Mini: Bis zu 37,6% (Entscheidung ausstehend)

  • Cupra (VW): 37,6%

  • Smart (Mercedes/Geely): 19,9%

  • Andere kooperierende Hersteller: 20,8%

  • Nicht kooperierende Firmen: 37,6%

BMW-Chef Zipse: "Importzölle schaden global agierenden Unternehmen. Sie bremsen E-Auto-Angebot und Dekarbonisierung." Die deutsche Autoindustrie fürchtet einen Handelskrieg und chinesische Vergeltungsmaßnahmen. Die Zölle gelten zunächst für 4 Monate, finale Entscheidung im November. Eine Studie prognostiziert bereits 42% weniger chinesische E-Auto-Exporte.

Die Experten sagen: Langfristig verzögern die Zölle den Aufstieg Chinas nur. Bis 2030 erreichen chinesische Marken 33% globalen Marktanteil. In Europa verdoppelt sich ihr Anteil auf 12%. Und ohnehin planen chinesische Hersteller schon lokale Produktion in Europa und Amerika. So wollen sie Zölle umgehen.

🚙 25.000 Mercedes-Mitarbeiter fordern "Anerkennung für die Unverschämtheit"

Die Beschäftigten protestieren bundesweit gegen den Verkauf von 80 konzerneigenen Autohäusern. Betroffen sind 8.000 Mitarbeiter. Sie befürchten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen.

Ihre Forderungen:

  • Übernahme bestehender Tarifverträge durch die Käufer (sehr unwahrscheinlich)

  • Alternativ: Hohe Ausgleichszahlungen. Nämlich 60.000 Euro pauschal plus bis zu 60 Brutto-Monatsgehälter

  • Betriebsrat nennt es "Anerkennungsbetrag für die Unverschämtheit" (wow!)

Warum will Mercedes verkaufen?

  • Eigene Autohäuser laut CEO Källenius "nicht mehr zeitgemäß"

  • Mercedes sei im "Industriegeschäft" viel besser als im Handel, darauf wolle man sich fokussieren

  • Und man will Geld sparen: Die meisten konzerneigenen Autohäuser schreiben rote Zahlen

Der Verkauf ist eigentlich unausweichlich. Jetzt geht's um die Einigung mit Betriebsrat. Danach starten die Verkaufsgespräche.

🚗 VW und Rivian wollen noch enger zusammenarbeiten

Der Software-Deal zwischen VW und Rivian könnte erst der Anfang sein. Folgende Möglichkeiten werden diskutiert:

  1. Hardware: Gemeinsame Nutzung von Bauteilen für Kostenvorteile

  2. Produktion: Rivians neues E-SUV R2 könnte im geplanten Scout-Werk in South Carolina vom Band laufen

Scout ist die US-Elektromarke von VW (lustigerweise auch ein aktuelles 5-Mrd-Dollar-Projekt). Die Ähnlichkeit zu Rivian ist augenscheinlich. Analysten sehen "erhebliche Überschneidungen". VW-Chef Blume und Rivian-Gründer Scaringe diskutierten wohl schon über Scouts Zukunft. Steht das Projekt auf der Kippe? Der Scout-Chef dementiert.

Gleichzeitig wurde bekannt: VW hat schon vor dem Deal Rivian-Expertise "eingekauft". CARIAD warb 23 Top-Mitarbeiter von Rivian ab. Die verstärken nun VWs Silicon Valley Softwarezentrum. Rivians Software gilt als deutlich besser als CARIADs Eigenentwicklungen.

Aber: Die erweiterte Zusammenarbeit ist noch nicht beschlossen. Alles hängt vom Erfolg des Software-Joint-Ventures ab.

🏭 Schlechte Stimmung in der deutschen Automobilbranche

Besonders bei deutschen Autozulieferern. In Deutschland schließen Zulieferer viermal mehr Produktionsstandorte als sie neue eröffnen. Experten sprechen von einer "automobilen Deindustrialisierung".

Die Stimmung in der Branche ist mies. Der Ifo-Geschäftsklimaindex für die Autobranche sank im Juni auf -9,3 Punkte. Dieser Wert zeigt die pessimistische Einschätzung der Unternehmen zur aktuellen Lage und Zukunft.

Gründe: E-Mobilität, Digitalisierung und neue Wettbewerber. Auch veränderte Kundenwünsche und der Handelsstreit zwischen EU und China belasten die Branche.

Wie könnte man dem begegnen? Beispielsweise mit einer langfristigen europäischen Industriepolitik. Ziel: Perspektive schaffen. Vertrauen der Investoren zurückgewinnen und der Branche Stabilität geben.

Und sonst so?

🏆 Chart der Woche: Innovationsranking 2024 - BMW führt, China holt auf

Weltweit innovationsstärksten Automobilhersteller 2024 // Quelle: CAM via n-tv

CAM hat die Innovationsstärke von OEMs untersucht. Die Studie bewertet z.B. Innovationsgrad, Kundennutzen und Marktrelevanz von bestimmten Innovationen.

Ergebnis: BMW ist der innovativste Autohersteller weltweit. Doch China holt schnell auf.

Kernpunkte:

  • BMW führt knapp vor Geely und SAIC

  • Chinesische Autobauer steigern Innovationsanteil von 21% auf 46%

  • Deutsche Hersteller fallen von 45% auf 23% zurück

  • VW rutscht auf Platz 6

  • Erstmals 5 chinesische Hersteller unter den Top 10

Chinas Stärken:

  • Zukunftstechnologien (E-Mobilität, Fahrassistenz, Bedienkonzepte)

  • Hohe Fertigungstiefe

  • Massive staatliche Förderung (215 Mrd. € seit 2009)

Studienleiter Bratzel spricht von einer "tektonischen Machtverschiebung". "China-Tempo ist bei Innovationen wesentlich höher als Deutschland-Tempo." Sein Fazit: Deutsche Hersteller müssen "mindestens so viel innovativer sein, wie sie teurer sind."

🎧 Hörenswert: Porsche-CTO Sajjad Khan “1 Top-Entwickler ersetzt 30 durchschnittliche”

Hörzeit: 82 Minuten

Porsche-CTO Sajjad Khan im Podcast-Interview

Quelle: Youtube / Moove Podcast

Sajjad Khan ist seit November 2023 Softwarechef bei Porsche. Zuvor war er bei Mercedes-Benz, BMW und Magna unterwegs. Im Podcast gibt er Einblicke zur Softwareentwicklung in der Autoindustrie.

Meine Top 5 Takeaways:

  1. Bekenntnis zu CARIAD: Trotz bekannter Schwierigkeiten setzt Porsche weiter auf die VW-Softwaretochter. Khan sieht darin einen Schlüssel zur digitalen Souveränität der europäischen Autoindustrie.

  2. Sein Ziel: Eine "Liquid Organisation" in der Porsche, Audi und CARIAD zusammenarbeiten. Und zwar unabhängig von Hierarchien und Unternehmenszugehörigkeiten.

  3. Bei Software im Auto will er die richtige Balance finden. Kernfunktionen wie Ladeplanung und Fahrassistenz entwickelt Porsche selbst. Für Dinge wie Musik und Navigation setzt er auf Drittanbieter für ein besseres Nutzererlebnis.

  4. Khan glaubt weiterhin an die Möglichkeit eines herstellerübergreifenden Auto-Betriebssystems.

  5. Und er will weniger, dafür bessere Software-Entwickler. Seine Überzeugung: Ein Top-Entwickler ersetzt 30 durchschnittliche.

Khans Fazit: Deutschland hat in der Softwareentwicklung Nachholbedarf, aber enormes Potenzial. Gleichzeitig sieht er einen wachsenden Bedarf an IT-Vorständen in der Autobranche.

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Bis nächste Woche,

Philipp

P.S. Dieser Newsletter ist viel Arbeit, macht mir aber großen Spaß. Wenn er dir gefällt, freue ich mich sehr, wenn du ihn weiterempfiehlst. Danke für deine Unterstützung!

Philipp Raasch

Ich bin Philipp, Gründer von Der Autopreneur. Seit 15 Jahren treibe ich die digitale Transformation der Automobilindustrie voran. Nach 10 Jahren bei Mercedes-Benz habe ich 2020 die Digitalberatung horyzn.io gegründet. Mein Ziel: Dir genau den Automotive-Content liefern, der dich im Job und der Karriere voranbringt.

Signature Philipp Raasch

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